Alles muss wohl mit einem Sturz aus dem Bett direkt ins Auto angefangen haben. Mit müden, verklebten Augen und geschwächten Knochen von der Anstrengung der beiden Vortage, fand ich mich auf der Bayrischen Meisterschaft wieder. Mit mir hatten sich weitere 37 Damen und 43 Herren registriert und somit einen absoluten Teilnehmerrekord aufgestellt.
Die Qualifikation – Freddy berichtet:
Kurz vor Start sammelten wir uns vor der Wand und beschlossen fast alle mit einem gelben Sloper Boulder anzufangen. Während wir uns gemeinsam den Boulder anschauten, huschten einige Gedanken durch meine verschlafenen Gehirnzellen: „Würde es mir heute besser ergehen? Oder würde ich immer noch so platt und träge bouldern wie die letzte Woche?“ Doch bevor das Gedankenchaos die Überhand gewinnen konnte, überlistete ich mich selbst und stieg unerwartet einfach als Erste in den Boulder ein. Alles fühlte sich einigermaßen flüssig und stabil an und ich konnte mich bis zum Top vorarbeiten. Gewiss keiner der schwersten Boulder, aber ich hatte ein recht gutes Gefühl und der erste von fünf Bouldern war geschafft. Afra und Mona machten ihn mir lässig nach. Isi hatte wo anders angefangen.
Nicht lange trödeln und direkt weiter zum Nächsten. Die Zeit von 90 Minuten würde knapp werden, da zwei der Boulder sowohl für die Herren als auch für die Damen zählten. Am besten nach ganz links, da stand noch keiner an. Schien mir einer der Schwersten zu sein. Gemeinsam mit Afra überlegte ich mir eine Lösung zum Bonus von der wir wussten, dass sie nicht die angedachte Lösung der Routenschrauber sein konnte. Gut, dass man sich frei überlegen kann wie man bis zum letzten Griff kommt. Denn wie sich herausstellte, wurde es nach dem Bonus nicht besser und der direkte Weg war viel zu schwer. Also beschloss ich im zweiten Versuch mal wieder meine Verschneidungskünste auszupacken und presste mich auf Umwegen zwischen Seitenwand und Volumen nach oben. Es war hart. Sehr hart! Ein Kampf aller Muskelgruppen auf voller Anspannung und ohne Sauerstoffzufuhr. Doch ich schaffte es! Und schien auch die einzige zu bleiben. Vermutlich lag es daran, dass keiner bereit war sich freiwillig die Arschmuskeln zu zerren. Währenddessen haben Afra und Mona den zweitschwersten Boulder neben an ziemlich locker bezwungen. Isi bekam die Volumen einfach nicht in den Griff.
Ich brauchte etwas Erholung, wollte aber meine Zeit keinesfalls verplempern. Also machte ich den Boulder im Schwedenmuster – da stand gerade keiner an. Danach beschlossen wir uns für den Platten-Boulder anzustellen. Das würde länger dauern und wir konnten uns kurz ausruhen. Nur Isi wollte ihre Zeit nicht mit Anstehen für eine Platte verschwenden, deren Top ihr sowieso nicht gewiss wäre. Nach über 30 Minuten kamen wir endlich dran und schoben uns wenig elegant über die Volumen. Nur noch zehn Minuten Restzeit. Das würde verdammt knapp werden und mir fehlte noch immer ein Boulder.
Durch die Überschneidungen und die langen Wartezeiten kam ich nicht mehr zum Zug. Ich hatte innerhalb von 90 Minuten genau fünf Versuche. Afra war es genauso ergangen, aber sie hatte jeden Boulder mit einem Versuch erobert. Ganz schön hart, dass die Zeit nur ausreichte, wenn man alle Boulder flashte. Immerhin galt das für alle Teilnehmer. Für Afra, Mona und mich reichte es zumindest für vier Tops. Bei Isi sah das etwas anders aus, da sie sich eigentlich nur in drei Bouldern wirklich versuchte und davon nur zwei schaffte. Hoffentlich würde das für’s Halbfinale reichen…Steffen und Christoph die parallel zu uns geklettert waren, sah ich erst nach der Qualifikation wieder. Sie liefen recht fröhlich durch die Gegend – schien also gut gelaufen zu sein. Jetzt hieß es abwarten ob es für alle eine zweite Runde geben würde.
Das Halbfinale – Isi berichtet:
Nachdem das mit der Auswertung leider genauso lang dauerte wie das Anstehen bei den Qualifikationsbouldern wusste bis 15 Minuten vor Beginn des Halbfinales keiner so genau wer nochmal Gas geben durfte. Für Afra, Freddy und Mona sollte es nach der guten Vorrunde aber locker reichen. So war es dann auch: Afra führte nach der Qualifikation, gefolgt von Mona und Freddy. Ich war leider etwas weiter hinten zurückgeblieben mit meiner schlechten Quali, aber auch der 13. Platz reichte für‘s Halbfinale. Das war erstmal alles was zählte!
Nun wurden die Karten neu gemischt. Ich durfte als erste Boulderwelt-Team Athletin ran und hatte also nochmal die Chance zu zeigen, dass ich neben Essen und Lachen doch auch ganz gut mit diesem weißen Puder und den komischen bunten ,,Griffsteinen‘‘ umgehen kann. Da es eigentlich nur Luft nach oben gab, war die Anspannung nicht sehr groß. Boulder eins war nicht nur slopy sondern auch ziemlich slippery und so war ich leider schneller zurück auf der Matte als geplant. Doch im zweiten Versuch war der Topgriff dann doch auf meiner Seite. Bei Boulder zwei stand im Kleingedruckten ,,Isi‘‘ drauf: Steil, kräftig, heel- und toehooken. Und schon war das Flashzeichen auf meinem Laufzettel. Die Stimmung war gut, das Publikum applaudierte. So konnte es weitergehen. Meine Teamkollegen mussten noch alle auf ihren Start warten und dem steigenden Druck und der Nervosität standhalten. Boulder drei war wohl der leichteste und so blieb der Topgriff nicht lange unberührt. Drei Tops in vier Versuchen. Einer fehlt noch, aber das sah doch deutlich besser aus als in der Quali. Boulder vier war ein leichter Sprung mit kräftigem Ausstieg. Nachdem das wie Boulder zwei eher ,,Isi-Style‘‘ war, packte ich ein bisschen ,,Bäm-Faktor‘‘ aus und holte mir mein letztes Top. Gut! Aber gut genug? Vorrübergehend übernahm ich die Führung, aber die Boulder waren ziemlich leicht und meine Konkurrentinnen mega stark. Nur durch Leichtsinnsfehler und Unkonzentriertheit der anderen bestand die Hoffnung für meinen Finaleinzug.
Steffen war der Nächste. Mit einem souveränen Flash in einem Plattenboulder und einem Top im zweiten Boulder legte er eine ganz gute Performance hin. In dem tricky dritten Boulder brauchte er leider sechs Versuche und im vierten konnte er sich nur den Bonus im ersten Versuch sichern. Das würde eng werden!
Christoph und Freddy starteten parallel. Mal sehen ob Freddy von Yaffi-Fress-und Schlafmodus auf Bouldermodus umgeschaltet hatte. Aber sie toppte Boulder eins easy im ersten Versuch. Den Topgriff der wackeligen Platte erreichte Christoph leider erst im dritten Versuch, aber es war ja noch alles offen. Nun kam Mona dazu und flashte auch souverän den ersten Boulder. Nächstes Intervall. Jetzt wurde es schwierig alles weiter zu verfolgen. Afra, Freddy und Christoph waren gleichzeitig an der Wand. Nachdem ich das mit dem Schielen endlich drauf hatte, waren da auch schon wieder drei Flashs auf unserem Konto. Weiter so Boulderwelt Team! Das mit dem Flashen währte bei Afra und Freddy bis zum Schluss, Mona drehte in Boulder drei eine zweite Runde, sicherte sich aber auch da das Top und im vierten Sprungboulder dann noch ein knappes Flash. Meine Stimme ließ vom Anfeuern schon langsam nach, sodass es statt Popcorn Salbeibonbons zur Show des Halbfinales gab. Christoph hatte Schwierigkeiten im dritten Herrenboulder, der ziemlich tricky war und konnte sich leider das Top nicht holen. Doch Boulder vier kletterte er auf Anhieb.
Alles in allem eine ziemlich enge Angelegenheit. Steffen wurde mit drei Tops in zehn Versuchen Neunter und Christoph landete mit drei Tops in fünf Versuchen auf dem 7. Platz und verpasste somit um Haaresbreite den Einzug ins Finale.
Bei uns Mädels sah es besser aus. Mona rutschte als Sechste noch knapp ins Finale und ich als Fünfte. Neben Freddy und Afra legten auch die Rosenheimerin Bettina Aschauer und die Janka Meyer eine Flashrunde hin, sodass die Vorrunde entschied. Also Afra auf Platz eins, gefolgt von Freddy, Janka auf Platz Drei und Bettina auf Platz Vier. Janka gehört zum Boulderwelt-Team Frankfurt und somit freuten wir uns auf ein spannendes Boulderwelt-Team Finale. Nur Bettina fiel als Nicht-Boulderwelt Athletin ein wenig aus der Reihe. Die Chancen den Traum von einem Boulderwelt-Team München Podest in die Wirklichkeit umzusetzen stiegen.
Das Finale – Afra berichtet:
Nach dem Halbfinale blieb kaum Zeit zum Verschnaufen. Wir mussten sofort wieder in die Isolation. Nach dem wir ein bisschen entspannt und festgestellt hatten, dass wir alle mega platt waren, ging es dann auch endlich los mit der Athletenpräsentation und der Besichtigung. Die Boulder sahen schwer aus. Für manche Passagen hatten wir auch noch keine Ideen wie das gehen sollte, aber so ist das fast immer. Als erste durfte Mona in die Platte. Wir hinter der Wand haben zwar nicht gesehen was sie genau gemacht hatte, der Reaktion des Publikums nach zu urteilen, musste sie den ersten Boulder aber geflasht haben. Gut gemacht! Als zweites durfte Isi ran. Sie ist genau wie ich ein Plattenlegastheniker und das hat sich hier wohl auch gezeigt, da sie das Top nicht erreichte. Sie sicherte sich aber den Bonus im dritten Versuch. Bettina konnte den Boulder locker flashen, sie machte wohl die beste Figur von uns in diesem Boulder. Auch Janka konnte toppen, allerdings erst im zweiten Versuch. Freddy flashte auch hinterher. Ich wusste alle bis auf Isi hatten den ersten Boulder gepackt. Jetzt war ich richtig nervös, weil Platten wie gesagt nicht zu meinen Stärken gehören. Das zeigte ich auch gleich im ersten Versuch in dem ich erstmal rauskippte. Mit viel Zittern und Wackeln konnte ich im zweiten Versuch bis zum Top klettern.
Sofort als ich zurück hinter die Wand kam, startete Mona auch schon im zweiten Boulder. Sie blieb lange weg und erst als die fünf Minuten abgelaufen waren, kam sie zurück. Wir vermuteten, dass sie den Boulder also nicht gepackt hatte. Isi kam schon nach kurzer Zeit, mit tosendem Applaus und einem fetten Grinsen zurück. Das war wohl ein Flash! Janka und Bettina ließen sich Zeit und kamen auch erst nach Ablauf der Zeit wieder. Auch Freddy kam nach Ablauf der Zeit wieder, doch sie konnte in ihrem dritten und letzten Versuch noch toppen. Der Boulder war also machbar! Ich schaute mir nochmal an wo ich hoch musste und dann stieg ich auch schon ein. Die Züge waren schön und alles ging irgendwie sehr gut auf. Als ich nach kurzer Zeit den Topgriff doppelte, fragte ich mich wo die anderen Mädels Probleme gehabt hatten. Ich verschwand wieder nach hinten um das herauszufinden.
Vor dem dritten Boulder hatten wir alle Angst, da man gleich am Anfang die Kontrolle aufgeben musste um seitlich wegzuspringen. Ein Boulder der viele Versuche verlangen konnte. Mona brauchte zwei Versuche um sich einzuspringen, konnte den Boulder aber eintüten. Isi war anscheinend schon eingesprungen und konnte ihn direkt flashen. Bettina und Janka brauchten zwei Versuche bis zum Top. Freddy machte es Isi nach und flashte den Boulder. Alle hatten also den Boulder gemacht, jetzt musste ich ihn am besten auch flashen! Der Plan ging nicht ganz auf: im ersten Versuch rutschte meine Hand und ich bekam viel zu viel Schwung. Im zweiten Versuch konnte ich den Schwung dann abfangen und ebenfalls toppen.
Es war noch alles offen. Jeder hatte noch die Chance Bayerische Meisterin zu werden. Beim letzten Boulder hatten wir keinen richtigen Schlachtplan. Die Lösung musste uns wohl oder übel beim Klettern kommen. Als Mona nach fünf Minuten die Matte verließ und Isi raus durfte hatten wir nichts mitbekommen – sie hatte also nicht getoppt. Isi machte so weiter wie in den vorherigen Bouldern und toppte auch den letzten, allerdings erst im zweiten Versuch. Das hatten wir hinter der Wand natürlich mitbekommen. Der Boulder war also definitiv machbar. Auch Bettina konnte ihn im zweiten Versuch klettern. Für Janka lief es nicht so gut, das Top blieb ihr verwährt. Freddy war die Nächste. Nach drei Bouldern waren wir zwei gleich auf. Nach kurzer Zeit gab es tosenden Applaus und ich wusste Freddy hatte geflasht. Jetzt stieg die Nervosität noch ein Stückchen mehr. Ich musste auch flashen! Jetzt durfte ich raus. Nochmal kurz in Augenschein genommen und dann los. Kurzer Prozess! Die Züge vielen mir erstaunlich leicht, die Griffe waren besser als erwartet und die Schreie des Publikums waren sehr motivierend. So konnte ich im ersten Versuch gleich bis zum Top klettern. Flash!
Freddy und ich hatten genau die gleiche Wertung und auch im Halbfinale hatten wir beide vier geflashte Boulder aufzuweisen. Es entschied sich also anhand der Quali, in der ich besser war.Noch viel mehr als der Sieg an sich freute mich, dass ich mir mit meinen liebsten Teamkolleginnen das Treppchen teilen durfte! Ein Treppchen ganz Zeichen des Kreises! Wir hatten uns schon oft erträumt wie cool das wäre. Bäm – was für eine Teamleistung!!!