von Steffen Hilger
Zusammen mit meinen Freunden Eva und Martin ging´s im Februar nach Spanien. Unser Weg führte ins Klettermekka Siurana, wo sich im Winter immer die besten Kletterer der Welt treffen, um die kühlen Temperaturen für die schwersten Begehungen zu nutzen. So trafen wir dieses Jahr Daniel Woods, Dave Graham und Alizée Dufraisse. Ich persönlich fands meistens etwas zu kalt, vor allem wenn der Wind ums Eck pfiff und man nicht mal zum Klettern seine Daunenjacke ausziehen wollte. Aber bei windstillem Sonnenschein im Sektor „Salt de la Reina Mora“ war es einfach nur schön! Die langen Routen hier sind absolute Weltklasse! Auf dem Pflichtprogramm sollte sicher die 7c „Avatar“ mit ihren riesigen Henkellöchern und trickreichen Boulderzügen stehen. Aber auch direkt nebenan gibt’s herrliche Ausdauerrouten an Leisten in orange-rotem Fels.
Von der 8a „Homo Erectus“ möcht ich gern genauer erzählen. Der Mittelteil fordert immer wieder Boulderstellen durch die steile Wand, die zu mehreren guten Löchern führen. Dann kurz schütteln und das nächste Boulderproblem anpacken bis man nach 35 Metern ein gutes Henkelband erreicht. Jetzt gilt es, den ganzen Pump der Route loszuwerden, denn das Schwerste kommt noch!
Ich kann mich ganz genau an diesen Moment erinnern! Die Arme sind schwer, aber ich merke, wie sie sich langsam erholen. Immer wieder tausche ich die Hände, um sie abwechselnd auszuschütteln. Links verschwindet gerade die rote Sonne hinter der gigantischen Felswand. Unter mir tut sich der weite Überhang auf, durch den ich gerade bis hierher geklettert bin. Wenn ich in die Ferne blicke, glitzert der Stausee von Siurana. Die untergehende Sonne taucht das Tal in orangenes Licht. Der frische Wind streicht um mein Gesicht und verweht meine Haare. Genau jetzt bin ich der letzte Punkt in der ganzen Wand, den das Licht noch erreicht und ich merke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um sich den letzten Schwierigkeiten zu stellen.
Hier neigt sich der glatte Fels leicht zurück und weißt kaum mehr Strukturen zum Festhalten auf. Es folgt ein winziges Einfingerloch für links, in das nur die Fingerkuppe verschwindet. Das nächste Löchlein halte ich mit meinem rechten Daumen, damit ich nicht nach hinten wegkippe. Dann volle Spannung im Bauch um an diesen schlechten Griffen die Füße nachzustellen! „Gaaaanz lang machen uuuuund da ist die kleine Leiste! Gehst Du her!“, denke ich im Selbstgespräch. Puh, die Exe ist drinnen! Aber es geht weiter! Nun muss ich diese kleine Leiste auf Untergriff drehen und über die Exe steigen, um die letzten kleinen Käntchen und schließlich den Umlenker zu erreichen.
Was für ein Gefühl! Wenn dann die Spannung abfällt und ich richtig stolz bin, diese Route geschafft zu haben. Denn diese hat mich komplett gefordert! Das ist es, was das Klettern für mich ausmacht! 🙂
Nach 4 Tagen im schönen Siurana ging unsere kleine Reise weiter nach Terradets. Hier geben lange, überhängende Sintersäulen den Stil der Kletterei vor, nämlich pumpig an vielen Seitgriffen. Nachdem ich eine 8a+ im zweiten Versuch durchsteigen konnte, sah ich mir auch die Variante „Democracia“ 8b an. Unten war ganz klar „Ballern“ angesagt! Möglichst schnell musste man aus der steilen Höhle rauskommen und sich dynamisch von einem Sinterseitgriff zum nächsten kämpfen. Nach einem ausreichenden Ruhepunkt folgte dann die Schlüsselstelle mit einem Fingerloch für die rechte Hand – links eine gute Zange, um die Füße nachzustellen und weit hoch zu kreuzen auf eine schlechte Sinterzange. Aus dieser Position stellte ich den linken Fuß hoch und lehnte meinen Körper ganz nach rechts, um den Sinter irgendwie halten zu können! Rechter Fuß nach und vorsichtig die rechte Hand hoch zum Tufa, bevor ich endlich mit der Linken den Tufa an einer besseren Stelle erreichen konnte.
Diese Sequenz schaffte ich zweimal und fiel dann tatsächlich kurz vorm Umlenker mit dicken Unterarmen ins Seil.
Heute war der letzte Tag und ich wusste, ich hatte nur noch einen letzten Versuch, ehe wir zum Flughafen nach Barcelona zurückfahren mussten. Diese blöde Stelle ganz oben bot zwei passable Möglichkeiten. Entweder eine flache Leiste weit durchziehen oder anstrengend einen kleinen Untergriff anlaufen. Zweimal fehlte mir der Schmalz für die Leiste, nun hatte ich nur noch diesen einen Versuch…
Ich kletterte durch den pumpigen unteren Teil und kam in die Crux, als mir kurz vor dem besseren Sintergriff der Fuß wegrutschte. „Baaahhh!!!“ Ein kurzer Schrei kam plötzlich aus mir heraus. Doch ich konnte mich gerade noch in der Wand halten! Puuuhhh, das war knapp. Schließlich war ich auch schon in der Headwall und sah die beiden Möglichkeiten vor mir. Ehe ich genauer Nachdenken konnte stellte mein Körper automatisch den rechten Fuß raus, ich sortierte zwei Finger in den Untergriff ein und zog hoch. Topgriff erreicht und 8b abgehakt!
Im Laufschritt gings dann zum Auto und in Richtung Barcelona zum Flieger nach Hause… So muss es gehen! 🙂