von Tom Stallinger
„Wollen Sie Ihr Frühstück um 2 Uhr oder erst um 4 Uhr?“
Eine ziemlich ungewöhnliche Frage für die Ohren eines Boulderers…
…aber auf der Turiner Hütte im Mont-Blanc-Gebiet freilich ganz normal. Genauso wie die unvergesslichen Klettererlebnisse in feinstem Granit in hochalpinem Ambiente. Die langjährige Partnerschaft mit meinem (ehemaligen) Bouldertwelt Athletenteam Trainerkollegen Christoph Gabrysch soll dort mit einem gemeinsamen Kletter-Highlight gekrönt werden.
Wegen einer vielversprechenden Wettervorhersage reisten wir kurzfristig mit den Ziel an die Schweizerführe am Grand Capucin (3838 m) zu klettern. Ein Klassiker der besonderen Art: bombenfester Fels mit optimalen Standplätzen und steilen Seillängen, die man selbst absichern muss.
Wir hatten uns für vier Uhr entschieden. Mit Stirnlampen, Steigeisen und Pickel machten wir uns angeseilt mit vielen anderen auf den Weg in die beeindruckende Gletscherwelt. Da wir eh erst los klettern wollten, wenn die Sonne den Fels auf handwarme Temperatur gebracht hat, machten wir staunend einige Fotopausen. Am Wandfuss hat uns die Randkluft und der unübersichtliche Vorbau der Route ganz schön gefordert und mehr Zeit gekostet als eigentlich geplant. Aber als Boulderer wollten wir halt jeden Meter Fels auskosten… Einige Seilschaften waren mit ihrer Wegwahl über die Firnrinne deutlich schneller, sodass wir zu Beginn der ‚eigentlichen‘ Kletterei an den Standplätzen, während moderater Wartezeiten, mit anderen Kletterern aus aller Welt Bekanntschaft machten. Wir erfuhren von einem Franzosen, welcher die Route bereits mehrfach geklettert hatte, dass man spätestens um 12 am Gipfel sein sollte, wenn man am gleichen Tag noch mit der Seilbahn ins Tal fahren wollte. Upss, genau das war unsere Strategie – und noch dazu war die Hütte ausgebucht und brechend voll…
Bei den folgenden Seillängen war eine schöner als die andere. Christoph führte die erste Schlüsselseillänge, einen kompakten Fingerriss, solide – beeindruckend ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Alexander Huber das alles auch runterwärts ohne Seil geklettert hat!
Bis Mittag schafften wir es leider nicht mehr ganz bis zum Gipfel – und weil wir eine kalte Nacht an der Seilbahnstation vermeiden wollten, schenkten wir uns schweren Herzens die letzten Meter und seilten ab.
Ja mei, war halt ein kleiner Strategiefehler – aber das Schöne dabei ist: Wir haben einen Grund wieder mal hin zu fahren!