Von Steffen Hilger
Fotos: Walter Kressirer
Die 3 Zinnen faszinieren mich schon seitdem ich das erste Foto gesehen habe. Die steil und glatt aufragenden Nordwände sind für mich der Inbegriff des Kletterns schlechthin! Schon lange ist es ein Traum von mir auf allen drei Gipfeln zu stehen und diese beeindruckenden Nordwände zu durchklettern!
Nun war es soweit, denn mit Walter hatte ich endlich einen erfahrenen Seilpartner gefunden, dem zahlreiche Seillängen durch brüchigen Fels an alten Haken nichts ausmachten!
Als erstes nahmen wir uns die berühmte „Gelbe Kante“ an der kleinen Zinne vor. Die Nacht über hatte es stark geregnet, doch der meist überhängende Fels war an keiner einzigen Stelle nass geworden. Seillänge für Seillänge kletterten wir weiter hinauf, wobei die technische Schwierigkeit nicht das Problem war. Viel undurchsichtiger stellten sich die leichteren Passagen heraus, da man im dritten und vierten Grad nur ganz vereinzelt Haken vorfand. Die Wegfindung war hier gar nicht so klar und wenn man im 3er kleine Fingerlöcher im Überhang halten muss, dann kann man sich sicher sein, dass man höchstwahrscheinlich nicht ganz richtig ist…
Schließlich fanden wir aber doch immer wieder zu unseren Standplätzen. Nach der Schlüssellänge, einer 6+ mit echt wenigen Haken, kam ich dann an einen miesen Stand, von dem eine der beiden „Rostgurken“ bestimmt nicht mehr viel gehalten hätte. Glücklicherweise fand ich einen guten Riss für den Friend, den ich dazulegte. So konnte ich Walter mit halbwegs gutem Gewissen nachsichern.
Am schönsten fand ich die ausgesetzten Querungen, bei denen man richtig spürt, wie weit oben man hier ist! Endlich am Vorgipfel angekommen merkten wir, dass es bereits ziemlich spät geworden war. Für den im Führer beschriebenen „Nachmittagsspaziergang“ haben wir den ganzen Tag gebraucht!
Wir beschlossen von hier abzuseilen. Und das war die richtige Entscheidung, denn ehe wir die Scharte zwischen den Zinnen erreichten, ließ sich unser Seil einfach nicht mehr abziehen. Es hatte sich total zwischen den Felsspalten verhängt, sodass wir noch einmal hinaufklettern mussten, um es herunterzubekommen. Dann folgte ein steiles Altschneefeld, das man hochkonzentriert hinunterspuren musste, bevor man wieder auf den normalen Wanderweg gelangte. Nun war es dunkel geworden und völlig fertig nach diesem anstrengenden Tag, schwor ich mir, morgen einen Ruhetag einzulegen.
Der nächste Morgen kam und das Wetter war noch besser als gestern. Walter war hochmotiviert beim Frühstück und natürlich stiegen wir wieder in Richtung kleine Zinne auf…
Diesmal machten wir die „Egger-Sauscheck“. Sie folgt einer langen Schuppe durch die sonnige Südwand. Das war definitiv von Vorteil, denn im Schatten wird es auf knappen 3000 Metern Höhe ziemlich kalt. Die schwerste Stelle (6+) war super abgesichert und gut zu klettern. Viel gemeiner fand ich die extrem brüchige Schuppe, in der man leider auch nicht ganz optimal, mobile Sachen legen konnte. Da hilft dann nur den festen Griff zu finden und nicht all zu stark dranzuziehen. Daraufhin folgte ein glatter Kamin, durch den wir mit Rucksack gerade so durchpassten. Das war schon ein unangenehmes Gefühl, aber es wird noch besser!
Nach 30 Metern war ein Stand mit 2 Haken im Topo eingezeichnet. Nach langem Suchen fand ich diese dann auch, also zumindest deren Stifte…
Die Ösen waren nämlich komplett abgerostet…“Shit, was tun?“ dachte ich mir.
Ich verbaute alle restlichen Friends die ich noch am Gurt hatte, verband sie mit einer Schlinge – „Stand, Walter!“
Heute waren wir deutlich schneller wie gestern und schafften auch noch die letzten Längen zum Gipfel der kleinen Zinne. Den Abstieg kannten wir ja schon, doch auch dieser Tag war super anstrengend für mich – körperlich wie auch mental.
Für den letzten Tag suchten wir uns dann etwas zeitlich Kürzeres raus, den Normalweg auf die Westliche Zinne. Es sollte eine Bergtour mit einzelnen Kletterstellen werden. Doch schon an der Altschneerinne wussten wir, dass auch dies eine ernsthafte Unternehmung sein würde! Sicherlich 100 Höhenmeter zog der harte Schnee steil hinauf. Hier war ein Ausrutschen ausgeschlossen, andernfalls fände man sich im Schuttfeld weit unten wieder und bestimmt nicht unverletzt…
Als wir endlich wieder festen Fels unter den Füßen hatten, war ich heilfroh. Jetzt hieß es Kraxeln im 2. Grad und bei unangenehmen 3er-Stellen sichern. Das funktionierte super bis zum Spreizschritt im letzten Teil. Hier war ein riesiger Felsklotz weggebrochen und der weite Schritt war jetzt zum Sprung über eine Klippe geworden. Springen wollte ich nicht, so wählte ich eine Hangelvariante über den Abgrund. Das ging hervorragend, wozu bin ich denn auch Boulderer? 😉
Kurz darauf erreichten wir den Gipfel mit atemberaubendem Tiefblick in die Nordwand der Großen Zinnen. Für mich sind diese Berge ein einzigartiger Ort voller Kraft. Da ich auf der mittleren Zinne schon vor einigen Jahren gestanden hatte, habe ich nun alle drei Gipfel bestiegen! Und die Nordwände lassen bestimmt auch nicht mehr lang auf sich warten… 🙂
Fotos: Walter Kressirer