Von Steffen
Spontan beschloss ich nach Céüse zu fahren. An diesem ganz besonderen Felsriegel hoch oben, rund um einen Gipfel in Südfrankreich, treffen sich jedes Jahr viele starke Kletterer in den Sommermonaten. So machte ich neben Sammy, Lulu, Ronja und Mona noch viele weitere nette Bekanntschaften mit Leuten aus Bayern, Berlin, der Schweiz und Colorado! Ich konnte wirklich viele tolle Routen hier klettern, doch von einer möchte ich genauer erzählen…
Wenn man vom Tal aus zum „Grand Face“, dem höchsten Teil der Wand hinaufschaut, fällt einem sofort ein langer, blauer Streifen ins Auge, der von unten bis ganz nach oben den Felsen durchzieht. Das ist DIE Linie! Und tatsächlich führt auch noch eine 8a „Immense bleue“ mit einer Länge von 55 Metern genau dort hindurch. Genial! Doch das bedeutete auch sehr weite Hakenabstände.
In meinem ersten Versuch kam ich im Onsight gleich mal auf eine gute Höhe von 40 Metern, doch bis zum nächsten Bolt waren es gute 5 Meter. Es kam mir ewig vor, denn die Züge waren jetzt auch nicht gerade sicher zu klettern. Hier konnte ich mich nicht überwinden und baute die Route ab. Natürlich juckte mich der Gedanke, diese spezielle Route liegen zu lassen und mich nicht zu trauen…
Am nächsten Tag stieg ich also nochmals ein und kam sogar gleich zwei Haken weiter, leider fehlten aber immer noch drei Stück bis zum Ende. Es war allerdings psychisch so schwierig für mich, dass ich mich entschloss wieder abzubrechen.
Wer mich kennt, der weiß aber, dass dies nicht das Ende sein sollte und so folgte der nächste Abend…
Mit einem dünnen Seil bewaffnet und die Exen optimal verlängernd, löste ich wieder die technische Dachquerung im unteren Teil und kletterte lange Zeit weiter bis zum Schüttler rechts außen bei der Hälfte. Als ich an diesem Punkt in die Ferne sah, tauchte die Sonne die Hochhäuser der Stadt Gap in ein weiches Orange. Das Wolkenband am Horizont begann kräftig zu leuchten, doch nun musste ich weiter! Es galt, den blauen Streifen an Löchern nach links, weit über dem letzten Haken zu queren zum folgenden Ruhepunkt, bevor es ernst wurde…
Jetzt einen unangenehmen Kreuzer in ein Untergriff-Fingerloch machen und von hier endlich clippen. Doch die schwersten Züge sollten erst noch kommen!
Dreimal weiterverlängern in einen komisch einzusortierenden Griff, kurz mit der zweiten Hand dazu und hinauf zum nächsten Eck und dem daneben. „Huh!“ Füße hoch nachsetzen und einen richtig weiten Zug an den getickten Seitgriff machen. Jetzt die Füße versteckt kreuzen und… „Puh! – da ist der Henkel!“ – Clip!
Noch einmal durchschnaufen, denn die Wand wird wieder steiler. Links ein Untergriffloch, einen rauen Sloper mit rechts und zur Seitgriffkante – Clip! Nun die Passage an den Löchern rechts raus mit zweimal Verlängern und Abfassen. Dann weiter in die Platte an kleinen Leisten und rutschigen Löchlein in orangem Fels – dranbleiben… und tatsächlich machte ich jetzt auch noch die letzten, mir noch unbekannten Züge bis zum Umlenker! Ich war überglücklich und sehr stolz, dass ich mich so überwunden hatte! Der psychische Anspruch machte diese Route zu einer sehr Bedeutenden für mich.
Beim Ablassen färbte sich der Himmel in ein mattes Lila – was für ein Ausklang dieses Tages! 🙂